Patrick Mimouni setzt seine Artikelserie über
Marcel Proust und seine Welt fort - wir haben bereits mehrere Artikel
zitiert. Bestens informiert schildert er die Verhältnisse in der Belle Epoque, aber auch in Prousts Familie und in der Proust-Rezeption.
Ein wenig deprimierend lesen sich die Artikel auch, denn Mimouni zeigt ein ums andere Mal, wie sehr sich Proust in
Kreisen der Rechten in der Dritten Republik bewegte. Einige seiner engsten Freunde gehörten zur Crème der Action française und des damaligen Rassismus, der wie der Antisemitismus noch offen und als angeblich wissenschaftliche Theorie vorgetragen wurde. Zugleich zeigt Mimouni aber die Kunst, mit der Proust sein Leben sublimierte. Ein Beispiel ist die Gestalt des Diplomaten
Norpois, der in der "Recherche" ein Beispiel für einen prätenziösen intellektuellen Dummkopf ist, was nicht heißt, dass er als einflusslos geschildert wird. Eines der Vorbilder für ihn ist laut Mimouni der Graf
Talleyrand, Enkel des berühmten napoleonischen Ministers, mit dem Prousts Eltern verkehrten. Als Diplomat "hat Norpois eine Besonderheit: Man hört ihn nie etwas
explizit Antisemitisches sagen Warum sollte er auch? Es versteht sich ja von selbst, dass er Juden hasst. Wer könnte das schon bezweifeln? Ein Zeichen - ein scheinbares Nichts - genügt, um dies zu belegen ...: Anstatt Swanns Namen wie üblich englisch auszusprechen, also '
Souanne', zieht Norpois es vor, ihn deutsch auszusprechen, also '
Svann', so als wollte er ihn in die Ecke der 'Boches' stecken. Ja, denn die Idee verbreitet sich in Frankreich, dass die Niederlage im
Deutsch-Französischen Krieg nicht ohne den Verrat der Israeliten möglich gewesen wäre, vor allem jener Israeliten, die in der Armee gedient hatten. Genau dies bedeutet 'Svann' in diplomatischer Sprache, jener Sprache, die man im Salon von Prousts Eltern sprach, wenn man die Norpois aus dem Außenministerium einlud."